Beim Arbeitstreffen „Europa für alle! Kämpfe gegen rassistische und ausbeuterische Verhältnisse der EU-internen (Arbeits-)Migration“ in München (19.-21.09.14) haben Menschen, die in antirassistischen Gruppen, Wohnraumkämpfen, Erwerbsloseninitiativen, Arbeitskämpfen, kritischer Wissensproduktion aktiv sind (aus Berlin, Frankfurt, Köln, Göttingen und München) Erfahrungen ausgetauscht, diskutiert und Pläne geschmiedet. Geplant ist ein nächstes Treffen in Berlin Anfang nächsten Jahres, eine gemeinsamer Blog und auch eine Kampagne ist angedacht.
Verschiedene Kurzvorträge haben die Grundlage zu spannenden Diskussionen gegeben. Es ging um Interventionsmöglichkeiten in die Debatte zur sogenannten Armutseinwanderung, in der sich liberale und konservative Argumente einig darüber sind, dass Migration nach Nützlichkeit zu bewerten ist; um die sozialen Bewegungen des vergangenen Jahres in Bulgarien und darum, wie dort über die Figur des/der Emigrant_in Klassenverhältnisse zum Ausdruck gebracht wurden; um heutige Formen und die Geschichte des Rassismus gegen Roma; um umkämpfte Punkte im Zugang zu Sozialleistungen für Unionsbürger_innen und die Forderung nach einem „sozialen Europa für alle“.
Wichtig waren auch Berichte von ganz konkreten Kämpfen. In Berlin haben die Eisfabrik-Bewohner_innen mit Unterstützer_innen sich gegen ihre Räumung und für neuen Wohnraum organisiert und protestiert. Die Erwerbsloseninitiative Basta hat Menschen gegen alle Hürden unterstützt, ihren Anspruch auf SGB II durchzusetzen und eine Kampagne zum EFA-Abkommen mitgeführt. Amaro Foro bietet (Sozial-)Beratung an und macht Öffentlichkeitsarbeit gegen Rassismus gegen Roma. In Köln haben bulgarische Tagelöhner_innen und andere Teilnehmer_innen der Sozialen Kampfbaustelle dem Rathaus einen Besuch abgestattet und daraufhin nicht nur die Gruppe „Wohnraum für alle“ gegründet, es gab in der Folge beispielsweise auch Besetzungen und es entstand ein wöchentliches Beratungsangebot. Vier bulgarische Frauen aus München haben von ihrem Arbeitskampf berichtet (sie haben ein Münchner Gymnasium gereinigt und einen Teil ihres Lohns nicht bekommen). Aktivist_innen der Initiative Zivilcourage erzählten von ihrem wöchentlichen ‚workers center‘, direkten Aktionen und „Lobbyarbeit“ in der Kommunalpolitik. Die Gruppe b_art hat mit Taktiken der Kommunikationsguerilla in die Hetze gegen Bettler_innen interveniert.
Eine Trennung verschiedener Kämpfe, etwa antirassistischer Kämpfe, Kämpfe erwerbsloser Menschen oder Kämpfe um Wohnraum, etc. ließ sich kaum aufrecht erhalten. Immer wieder stellte sich die Frage nach den Zusammenhängen von Rassismus und Klassenkämpfen/Klassismus. Einige weitere Fragen: Wie lässt sich der Slogan „Europa für alle“ so füllen, dass eben auch Menschen ohne Unionsbürgerschaft gemeint sind? Was bedeuten die aktuellen Konjunkturen des Rassismus und des Kapitalismus, die sich z.B. in der Explosion von aufenthaltsrechtlichen Stati artikulieren, für die antirassistische Bewegung, die den Fokus bis jetzt vor allem auf Flucht und Asyl legt? Wie ist liberalen Stimmen entgegenzutreten, die vorgeben sich antirassistisch zu äußern, aber trotzdem ausgrenzen?
Welche zukünftigen Zusammenarbeiten, Infrastrukturen und Netzwerke braucht es, um hier Widerstand zu leisten, Selbstorganisation und gemeinsame Kämpfe zu stärken? Wo, wie und wann ist es möglich und macht es Sinn, über die einzelnen Städte, Stati und Themen hinweg neue Perspektiven zu entwickeln, praktische Infos auszutauschen (etwa zu Behördenpraktiken und legal activism) oder gemeinsame Aktionen zu planen?